„Das große Tatort-Quiz“ (ARD, 25. November, 20:15 Uhr) - Live-Kommentar

Um 20:15 startet das große Tatort-Quiz in der ARD. Anstatt Klavier zu üben, lasse ich mich als Tatort-Fan dazu hinreißen, mir die Show anzuschauen, obwohl ich schon ahne, dass sich meine Erwartungen vermutlich nicht erfüllen werden.

Bereits nach ca. 2 Minuten weiß ich, dass mir Dietmar Bär in dem Maße sympathisch ist, in dem mir Plasberg unsympathisch ist. Bär scheint das ungenügende Niveau der Sendung sofort zu durchschauen, er markiert aber nicht den Spaßverderber, sondern kommentiert nur dort, wo er Anlass dazu hat - und das ist gerade am Anfang recht häufig, wo sich Plasberg weder als besonders Tatort-fachkundig noch (wie so oft) als besonders schlagfertiger Moderator herausstellt.

Nach einer halben Stunde Sendezeit vergewissere ich mich in der Fernsehzeitung, dass ich tatsächlich die richtige Sendung eingeschaltet habe. Der Bezug zur Krimi-Reihe hat sich mir noch nicht erschlossen, abgesehen von den vier anwesenden Tatort-Ermittler-Darstellern. Welche sich übrigens ebenfalls wie im falschen Film fühlen müssen angesichts des schwachen Konzepts der Sendung.

Die erste Frage, welche der Abkürzungen „Bepo“, „Lupo“, „Dapu“ oder „Pupo“ im Polizeijargon tatsächlich Anwendung findet, lässt mich mich erneut fragen, ob die geladenen Schauspieler für dumm verkauft werden sollen. Dietmar Bär beantwortet die Frage (natürlich) richtig, Cordula Stratmann tippt lustigerweise auf (die falsche Antwort) „Lupo“ und erhält damit die gleiche Punktzahl wie Bär. Das entzieht sich mir jeder Logik und entbindet die Show von jeglicher Ernsthaftigkeit. Zumindest die zynischen Bemerkungen von Bär und Behrendt, die sich vermutlich fragen, ob es nicht ein Fehler war, sich in diesem im Niveau von den Tatort-Sendungen um Welten abhebenden Format zu präsentieren, halten vom Wechseln des Senders ab.

Nach der ersten Fragerunde wird das erste Highlight des Abends eingeschoben: Während billige Kommerz-Charthits (welche im Tatort selbst niemals eingebaut werden würden) ertönen, wird eine Geburtstagstorte auf die Bühne geschoben, deren brennende Kerzen die Schauspieler mittels Wasserpistolen malträtieren sollen. Klaus J. Behrendt, der in diesem „Spiel“ nicht gerade triumphiert, wird von Plasberg gefragt, wann er zuletzt eine Übung mit der Schusswaffe absolvierte, worauf dieser die alberne Spielidee in etwa mit den Worten „die Übung mit der Wasserpistole? Zuletzt mit 8 Jahren oder so...“ passend kommentiert.

Nach 45 Minuten merke ich immer noch nichts davon, dass ich gerade ein Tatort-Quiz schaue. Die Frage im KFZ-Bereich lautet sinngemäß: „Welches Kennzeichen der folgenden existiert tatsächlich: OS-SI, HU-RE, GO-TT oder DE-PP?“. Die verwendeten Worte sprechen für sich und sind vermutlich dem BILD-Zeitungs-Vokabular entnommen um ja keinen Zuschauer intellektuell zu überfordern.

Bei der Frage „Rechnet man je ein Exemplar aller im Umlauf befindlichen Cent- und Euro-Münzen sowie jedes Euro-Scheins zusammen, erhält man 777,77 Euro und 1111,11 Euro“ meldet sich ein Kandidat zu Wort und meint, hier könne man ja wohl nur raten. Plasberg erwidert darauf, nein, nicht, wenn man die Formel kennt. Worauf der Kandidat nachfragt „welche Formel denn?“. Diese Frage würde ich Frank Plasberg auch gerne stellen und mich daran ergötzen, wie er versucht, sich hierauf noch eine passable Antwort aus den Fingern zu saugen.

Um 21:10 folgt der Auftritt des Einslive-DJs Jan-Christian Zeller mitsamt den zierenden Disco-Girls. Als ob die ARD-Redaktion ihren wohl nur massenorientierten (Wort ausgetauscht) Musikgeschmack nicht schon genug zur Schau gestellt hätte, der - um es nochmal zu wiederholen - nichts mit den in der Regel geschmackvoll gewählten Musikzitaten in den Tatorten zu tun hat.

Auf Twitter lese um 21:20 Kommentare wie „Irgendwie spielt im Tatort-Quiz der ARD der Tatort kaum eine Rolle - was soll der Quatsch?“. Dem kann ich nur zustimmen, ich weiß nicht, womit man diese Themaverfehlung rechtfertigen will. Zumindest weiß ich nun, dass Hunde mit der Farben-Unterscheidung angeblich mehr Probleme haben als mit dem Finden von Banknoten.

21:30 - ein neuer Kracher. Ein spektakulär angekündigter Scharfschütze soll auf eine Holzkiste schießen. Sobald dieser endlich bereit ist und beginnt, mit seiner Waffe zu zielen, die Musik auch schon ein Höchstmaß an Spannung erzeugt, lässt dieser die Waffe sinken und die Schieß-Aktion wird abgebrochen, mit Plasbergs Worten (sinngemäß) „glauben Sie wirklich, dass wir hier in der Sendung rumschießen? [...] Eigentlich hatten wir das vor.“ - sehr souverän. Worauf er sich in einer endlosen Rede dafür entschuldigt, dass für die Sendung keine Schießgenehmigung bekommen werden konnte.

Um 21:35 werden zwei eineiige Zwillinge gezeigt und fünf Minuten lang die spannende Frage geklärt, ob man bei einem Einbruch anhand der Fingerabdrücke herausfinden kann, wer von beiden wer ist. „Wie sehen die Fingerabdrücke bei eineiigen Zwillingen aus?“ mit den Antwort-Möglichkeiten „identisch“, „unterschiedlich“, „nur bei Babys gleich“ und „nur bei Jungen gleich“. Erneut fühle ich mich in meine erste halbe Dekade zurückversetzt, wo mir mit 5 Jahren erklärt wurde, dass zwei Menschen grundsätzlich unterschiedliche Fingerabdrücke haben. Hier wird erwachsenen allgemeingebildeten Prominenten eine Frage gestellt, die meine (fiktive) 5-jährige Schwester ebenfalls richtig beantwortet hätte. Ich überlege mir, die Sendung auszuschalten. Aber dann könnte ich diese Besprechung hier nicht zu Ende schreiben.

In der nächsten Frage gehts um den durchschnittlichen Kaffeekonsum in Deutschland. Anscheinend wurde bei einem Pool an Quiz-Fragen krampfhaft nach einem quotentechnisch günstigen Stichwort gesucht, mit dem sich all diese Quiz-Fragen auch nur im Entferntesten in Verbindung bringen lassen könnten. Der „Tatort“ hat mein Mitleid, dass er dieser Recherche zum Opfer gefallen ist... an zweiter Stelle stehen die Ermittler, die sich hier vor einem Millionen-Publikum mit solchen Fragen konfrontieren lassen müssen.

21:50 meldet sich zum Glück Dietmar Bär erneut zu Wort und kritisiert die Undeutlichkeit, in der die Quiz-Kandidaten das Bild der letzten Frage auf den Displays gesehen haben. Frank Plasberg kontert: „Und die Raumtemperatur war auch nicht optimal, nicht wahr?“ (sinngemäß). Bär meint, er möchte es nur mal anmerken, als Anregung in Hinblick auf eine eventuelle zweite Auflage der Show mit Plasberg als Moderator. Ich hoffe, seine Bemerkung zielt in die selbe Richtung wie das, was ich seit 90 Minuten denke.

Danach werden die Schauspieler mit einem 3D-Puzzle beschäftigt, ich hole mir derweil einen neuen Joghurt. Um kurz nach 22 Uhr wird ein kurzer Film gezeigt, in dem verschiedene Gegenstände aufblitzen, die sich die Kandidaten alle einprägen müssen. Der Film ist derart amateurhaft produziert, vorallem der schauspielerische Anteil wirkt dermaßen gestellt, dass ich mich erneut nach dem Zusammenhang zwischen den Tatorten und dieser Show frage. Aber gleich wird er mir wieder deutlich, bei den Fragen „Welche Farbe hat die Haut des Eisbären unter dem Fall?“, „Wie heißen die Brüder Grimm mit Vornamen?“ und „Wo findet der nächste Eurovision-Songcontent statt?“. Das war Ironie.

Die letzte Frage des Abends handelt von Lesebrillen - ein Glück, dass ich über dieses spannende Thema beim großen Tatort-Quiz auch noch etwas gelernt habe! Auf finanzzeug.de finde ich die folgende Ankündigung: „[...] Es wird ein Tatort-Quiz sein, das von Frank Plasberg moderiert wird. Hier geht es nur rund um den Tatort. [...]“

Die größte Pleite neben den unpassenden (und ebenso unspannenden) Quiz-Fragen und der viel zu steifen Moderation ist aber in meinen Augen der gravierende Fehler, der sich am Anfang der Sendung eingeschlichen hat. Plasberg behauptete, die erste Tatort-Kommissars-Darstellerin Karin Anselm sei in München Kommissarin gewesen. Dietmar Bär, dem ich fast die einzigen Lichtblicke der Show zu verdanken habe, meinte sofort, diese sei nicht in München, sondern in Baden-Baden gewesen. Nun, am Ende der Sendung, wurde dieser Patzer klargestellt, Bär hatte Recht und die ARD-Redaktion in dieser Sache wohl gnadenlos versagt. Die Presse-Konferenz war dafür in München. Nun ja, bei der Wikipedia-Recherche in der Schule hab ich auch öfters mal nicht so genau hingeschaut. In einer derartigen Sendung sollte soetwas aber nicht passieren - am Ende dieser schockiert mich allerdings nichts mehr.

Kompliment dafür aber an Chris Weller und Curt Cress, die Hintergrundmusiken dieser Sendung sind euch prima gelungen! Davon abgesehen hätte ich doch besser den Tatort auf WDR geguckt - im Zweifel wäre auch die Lektüre meines Harmonielehre-Buchs thematisch sicher näher am Tatort gewesen als diese mit „Tatort-Quiz“ betitelte Sendung, die außer den erwähnten Tatort-Darstellern sowie den 2-3 Fakten zur Tatort-Geschichte (wovon eines einen grundlegenden Fehler aufwies) nichts mit der eigentlichen Krimi-Reihe zu tun hat, was die Ankündigungen in den Fernsehzeitungen eigentlich suggerierten.

Dieser Text sammelt lediglich ein paar Eindrücke des Abends, die nebenbei mit der Show aufgeschrieben wurden, und hat nicht den Anspruch, journalistisch und redaktionell perfekt zu sein - daher auch die nur sinngemäßen Zitate und Auflistung der Quiz-Fragen etc.

Lukas Ruschitzka
(C) by Lukas Ruschitzka - veröffentlicht 25. November 2010 auf sansiba.com